Als ich mich an diesem wirklich trüben Freitagnachmittag auf den Weg nach Hannover mache, überkommt mich fast eine fiese Herbstdepression. Du fährst über Land und erkennst im Nebel kein Baum und keinen Strauch. Als wenn das eine Vorahnung auf den kommenden Abend sein würde, der sich später als die „Nebelschlacht von Hannover“ in mein Gedächtnis brennen soll.
Covenant haben es diesmal wirklich eilig. Pünktlich zum Albumrelease von „The Blinding Dark“ am 03.11.2016 sind die smarten Jungs um Eskil Simonson bereits auf Tour, um das Album zu promoten. Da ich an die letzten Auftritte von Covenant, die ich gesehen hatte – sinnigerweise auch in Hannover – überhaupt keine guten Erinnerungen hatte, bin ich nur durch die wirklich überwältigende Platte animiert, den Weg anzutreten. Eskil war damals dem Alkohol auch auf der Bühne wahrlich nicht abgeneigt, ebenso wie Joakim Montelius, der damals noch zum Live-Line Up gehörte. Einzig Daniel Myer hatte damals den Abend noch irgendwie retten können. Keine guten Voraussetzungen, um sich jetzt auf den Abend zu freuen. Joakim nicht mehr dabei, Daniel nicht mehr dabei, nur noch Eskil, der in mir im Vorwege durch sein verändertes Aussehen einige Fragen aufkommen ließ.
Pünktliches Kommen sichert die besten Plätze. So hatte ich für mich in dem kleinen beschaulichen Musikzentrum den für mich wohl perfektesten Platz des Abend bekommen, wie sich später heraus stellen sollte.
Eröffnet wurde der Abend von ISZOLOSCOPE, einem kanadischen Rhythm ’n‘ Noise Projekt. Und der startet ein Bombardement aus Beats und Effekten, der mich erst mal erschrecken ließ. Nach zwei oder drei Tracks hab ich dann auch Gefallen dran gefunden. Nur habe ich mir Sorgen gemacht, ob der Junge an den Reglern vielleicht einen orthopädischen Schaden nehmen könnte. Zeitweise hatte ich auch Angst, er würde beim Headbangen mit dem Kopf auf seinen Mischer knallen. Aber er hatte Erfolg. Das Publikum ist sehr positiv auf die Performance eingestiegen, so dass er dann tatsächlich noch für eine Zugabe zurück auf die Bühne durfte.
Nach kurzer Umbaupause kam dann Faderhead auf die Bühne. Moment, waren das nicht auf der Bühne immer drei oder vier Musiker? Dieses Mal trat Sami Mark Yahya in einer abgespeckten Besetzung auf und wurde nur durch einen Jungen an den Reglern begleitet. Ich hatte mich bisher nie ernsthaft mit Faderhead beschäftigt und bin so schon sehr positiv unterhalten worden. Die Setlist hatte Sami bewusst mit ruhigeren FH-Stücken und einigen Perlen gespickt, was nicht nur mir gefallen hat. Das Set war amtlich und für meinen Geschmack ein bisschen zu kurz.
Nachdem Faderhead die Bühne verlassen hatte und das Feld für Covenant bestellt war, dachte ich, dass dem Lichtmischer vielleicht etwas passiert sein muss. So viel Nebel, wie im Vorfeld in die Halle gepumpt wurde, war schon fast nicht mehr vertretbar. Jeder Asthmatiker hätte seine Freude gehabt. Und als zum Intro Keyboarder Daniel Jonasson auf die Bühne kam, konnte man ihn fast nur erahnen. So ist mir auch anfangs fast entgangen, wer da mit auf die Bühne gekommen war. Daniel Myer (Haujobb, Destroid, Cleaner) war wieder dabei. Ein Anblick, der mein Herz ein Stück höher hüpfen ließ. Das Covenant dann den Abend mit „Der Leiermann“ eröffnen, hatte mich im ersten Moment etwas überrascht. Aber es scheint ja heute in Mode zu sein, dass aktuelle Platten erst im Laufe der Setlist eingebettet werden. Der Sound war an meinem Platz verdammt gut, so dass ich auf die obligatorischen Ohrschützer verzichten konnte und mich so auf jeden einzelnen Ton freuen konnte. Mittlerweile hatte sich mein Platz an der Bühne so verlagert, dass ich genau mittig vor Eskil stand, der auch, wenn er direkt vor einem stand, nicht wirklich gut aussah. Sein Gesicht wirkte aufgedunsen und wie meine Nachbarin bemerkte, zierte nicht eine Augenbraue oder Wimper sein Gesicht. Was war mit dem Mann also geschehen, der früher durch seine androgyne Art immer ein wenig wie die Wiedergeburt von Bowie in den besten Jahren wirkte.
Stimmlich war Eskil aber, wie ich finde, sehr gut drauf. Er hielt lange Passagen ohne einzuknicken, und auch die üblichen Texthänger waren erstaunlich gering. Er war den ganzen Abend in Bewegung, und es schien, als wenn Covenant live zu neuen Ufern aufgebrochen waren. Es war eine Einheit auf der Bühne. Eskil wurde des Öfteren von Daniel Jonasson am Mikro unterstützt und kurz vor dem Finale räumte Eskil sogar den Platz am Mikro, damit Daniel Myer mit dem Publikum zusammen „Lightbringer“ abfeiern konnte. Die Setlist war gespickt mit Perlen von früher („Go Film“, „Stalker“) und, wie ich finde, den besten Tracks vom neuen Album.
Der Lichtmann hatte sich zwar an der Nebelmaschine nicht wieder eingekriegt, hatte aber zusammen mit den im Bühnenhintergrund stehenden Lichtbatterien eine apokalyptische Stimmung erzeugt, in der Eskil mit seinem kahlen Kopf fast schon alienhaft wirkte. Es passte alles zusammen an diesem Abend und ich war schon fast dazu verführt, mich am Folgeabend zum Konzert in Hamburg aufzumachen. Schön zu sehen, dass – zumindest von der Publikumsseite aus zu sehen – bei Covenant alles wieder im Lot zu sein scheint. Tolle Platte, tolle Show – weiter so.
- Death of identity + fulwell (Intro)
- Der Leiermann
- Bullet
- I close my eyes
- Morning star
- Cold reading
- Figurehead
- Edge of dawn
- The beauty and the grace
- Go film
- The man
- 20hz
- Ignorance and bliss
- Stalker
- Lightbringer (Daniel Myer)
- Ritual noise
- Dies irae (Encore)
- Sound mirrors (Encore)
- Call the ships to port (Encore)
- Prometheus (Encore)
- Dead stars (Encore)